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Das zu kleine Hirn im mündlichen Physikum

19. März 2014

Von Joachim Bernhard

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„Mündliches Physikum“ – wie ein Damoklesschwert hängt dieser doch nicht gerade Freudegefühle erzeugende Begriff über mir in den Wochen vor und nach dem schriftlichen Examen. Erhöhter Cortisolspiegel. Ungewissheit, wie die Prüfergruppe zusammengesetzt ist. Abgehetzt ständig zu sehen, was noch nicht im Hirn ist. Und wahrscheinlich auch nicht rein geht. Doch der Reihe nach. Es ist Sommer 2011. Sommer – nun, für die meisten Studenten in Jena. Nur eben nicht für mich und alle anderen Physikums-Geplagten. Es ist auch noch ein richtiger Sommer, mit viel Sonne, hohen Temperaturen, Badewetter und Lust, raus zu gehen. Ein 100-Tage-Lernplan macht es mir aber schon aus Gewissensgründen unmöglich, mal eben in den 3 Monaten vor den Prüfungen in den Urlaub zu fahren und „aufzutanken“. So sitze ich Tag für Tag in meinem „Lernbunker“, wie ich mein Appartement getauft habe.

Ein Prüfungskompendium ist mein ständiger Begleiter. Außerdem eine CD mit ein paar tausend IMMP-Altfragen und Kommentaren, die durch mein Laufwerk am Rechner rattert. Kreuzen ist nicht das Problem. Das macht ja noch fast Spaß, sich relativ schnell durch einen Berg Fragen zu klicken und dann über ein hoffentlich immer besser werdendes Ergebnis zu freuen. Aber eine fundierte Vorbereitung für die mündliche Prüfung, Üben von Erklären der Zusammenhänge komplexerer Themen, egal ob in Biochemie, Anatomie oder Physiologie? Fehlanzeige. Dafür reichen die drei Wochen zwischen schriftlichem und mündlichem Examen nicht wirklich. Also hoffen, dass  möglichst viel vom zig Mal kreuzen und Lesen im Buch in auch unter Stresssituationen abrufbares Wissen übergeht. Für die positive Grundstimmung sorgt täglich eine Stunde Sport an der Sonne. Joggen oder Fahrrad fahren. Das ist wohl ein entscheidender Faktor dabei, nicht hin und wieder zu verzweifeln bei all den Enzymregulationen, Begrenzungen der Paukenhöhle oder was weiß ich (nicht mehr)? Und die tägliche Bewegung draußen wird wohl auch diesen Sommer wieder den nötigen Ausgleich zum Schreibtisch bringen, wenn ich mich auf das 2. Examen vorbereite. Ja, wie schnell die Zeit vergeht. So auch die Zeit bis zu dem Tag, den ich gerne gegen eine zweite schriftliche Prüfung eingetauscht hätte. Liegt mir eher. Eine gute 2 im Schriftlichen ist ein wenig „Rückenwind“ auf der letzten Etappe.

Nun gut. Es ist soweit. Alle verfügbaren Examensprotokolle der drei Prüfer kenne ich. Danke Fachschaft. Und allen meinen Vorgängern, die ausführlich die Eigenheiten und persönlichen Theorien zu anatomischen Sachverhalten (ja, sowas gibt es tatsächlich!) meines Anatomie-Prüfers beschrieben haben. „Kann ja nichts mehr schief gehen“. Falsch gedacht. In Jena fängt die Prüfung damit an, dass man sich mit einem zugelosten Histologie-Präparat an ein Mikroskop setzt. Mein Histologie-Präparat: mit bloßem Auge – irgendwas vom Gehirn. Ganz kleine Gyri und Sulci. „Ah. Wunderbar. Des Prüfers Lieblingsthema: Kleinhirn.“ Jedes zweite Protokoll ließ sich über sämtliche Verschaltungen von und zum Kleinhirn aus. Ein paar mir nichts sagende Blicke durch das Mikroskop später mach ich mich auch schon dran, auf vier Zetteln alles zum Thema Kleinhirn aufzuschreiben und zu zeichnen. Dann der große Moment, vor den Prüfern. Ich darf ohne Unterbrechung den ersten Zettel abarbeiten und eine gefühlte Ewigkeit reden bis der Anatom mit sorgenvollem Gesicht meint „Das ist nicht das Kleinhirn“. Oh. Nein. Worst case?! Es folgen Sekunden der Panik. Und Herr Anatomieprüfer erklärt seinen Kollegen aus der Biochemie und Physiologie, wie einfach es doch sei, in diesem Präparat ein Großhirn („ja, es ist eben von einer Ratte, deswegen auch die kleinen Gyri“) zu erkennen. Kurzum – wie blöd ich doch bin. Ja und das mit dem kühlen Kopf behalten, klappt dann auch nur mit Mühe. Werde zu Bahnen im Großhirn gefragt. Glänze da nicht gerade. Und wahrscheinlich aus Mitleid wird das Thema umgeleitet in „Wissen Sie denn wenigstens etwas über die Wirbelsäule?“ Und ich darf Unterschiede von Hals-, Brust-, und Lendenwirbelsäule erklären. Ja und dann noch Thema Knie.

Die folgenden Stunden des Biochemie- und Physiologie-Teils sind von der Sorge geprägt, ob es denn überhaupt noch zum Bestehen reicht. Die Prüfer setzen aber mal tief an und fragen mich recht einfache Themen. Zellmembran, Frank-Starling-Mechanismus, Gicht. Vier Prüflinge schlagen sich mehr oder weniger gut durch. Und werden zur Notenverkündung mit den Worten empfangen „Wir hatten heute eine sehr heterogene Prüfungsgruppe. Von sehr guten bis mangelhaften Leistungen…“. Nochmal den letzten Rest Sympathikusaktivierung voll auskosten. Und da ist sie: Meine 4. Bestanden. Während eine Kommilitonin in unserer Gruppe durchgefallen ist. Physikum bestanden! Nach den vielen Monaten, ist mit einer Note das Damoklesschwert gefallen. Und das ohne allazu große Kollateralschäden.