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Eine Geschichte zum Nachdenken

15. September 2021

Von Sarah Micucci

Eine Geschichte zum Nachdenken

Werde Pflegeengel!

Oli, Sophie und Anja sind Pflegeauszubildende. Alle besuchen die gleiche Klasse, und nähern sich nun ihrem Examen zum/zur Pflegefachfrau/Pflegefachmann. Gemeinsam mit ihrer Schule unternehmen sie heute einen Ausflug zum Junge Pflege Kongress. Dort haben sie die Möglichkeit an verschiedenen Workshops und Vorträgen diverser Referenten teilzunehmen. In den Kongresshallen befinden sich viele verschieden Stände, und überall bekommt man Flyer und Prospekte in die Hand gedrückt. Auf einem der Flyer ist ein Engel abgebildet, daneben die Aufschrift „Komm in die Pflege und werde Pflegeengel!“. Anja wirft einen verächtlichen Blick darauf, und fügt hinzu: „Ja, klar, Pflegeengel! Geht es eigentlich noch unprofessioneller? Kein Wunder, dass die keinen Nachwuchs bekommen! Da kann man sich nur noch für seinen Beruf schämen!“ Sophie dazu: „Ja, mein Gott, mag etwas drüber sein, aber wir haben nun mal einen fürsorglichen Beruf. Ist doch schön!“ Anja: „Schön? Das ist peinlich! Ich bin gerade dabei jeden einzelnen Knochen im Körper auf Latein auswendig zu lernen! Jedes Krankheitsbild muss ich parat haben! Und dann soll ich der blöde Pflegeengel sein? Kein Wunder, dass unsere Profession nicht erst genommen wird! Die denken doch alle wir streicheln von morgens bis abends kranken oder alten Menschen über den Kopf. Ein unattraktiveres Berufsbild gibt es doch gar nicht.“

Berufsethos vs. Innovation?

Sophie ist erschrocken über die Aussage ihrer Klassenkameradin, und ergänzt: „Sag mal, sagt dir der Begriff Berufsethos etwas?“ Anja: „Ach, komm! Bei allem Respekt, jeder Beruf entwickelt sich weiter und passt sich gewissermaßen an modernere Zeiten an. Nur wir bleiben stehen. Und warum? Weil wir arme, kranke Menschen versorgen! Ich bitte dich, so wird sich das Image nie verbessern! Oder glaubst du Apple wäre da wo sie jetzt sind, wenn die immer noch davon reden würden wie toll Schreibmaschinen sind? Nein! Die Menschen wollen Innovation, und dazu gehört auch mal ein Image, dass man nicht mit der fürsorglichen Schwester in Verbindung bringt! Jede Berufssparte hat das kapiert. Nur die Pflege nicht. Und deshalb wirst du auch niemals hören „Boah, du bist Pflegerin? Das ist ja cool! Ist das schwierig da rein zu kommen?“ Sophie ist völlig vor den Kopf gestoßen: „Dir ist schon klar, dass du gerade Computer mit Menschen vergleichst? Wir müssen mit Emotionen umgehen können. Das ist doch eine viel größere Herausforderung als Laptops zu verkaufen!“

Selbstbild und Fremdbild

Jetzt meldet sich Oli zu Wort, welcher bisher eher passiv der Diskussion der beiden Damen folgte: „Naja, schon. Aber wer sagt denn, dass wir deswegen unser Image nicht pushen dürfen?“ Sophie, jetzt mittlerweile in einem etwas aggressiveren Ton antwortend: „Was willst du denn da pushen? Mir ist es doch scheiß egal was die Leute von mir denken, solange ich mit meinem Beruf zufrieden bin! Das nennt man übrigens Selbstbewusstsein! Dass ein gutes Image mit dem Selbstbild und nicht mit dem Fremdbild anfängt, davon hast du auch noch nie was gehört, oder?“ Oli: „Danke für die Belehrung, doch, habe ich. Und trotzdem bin ich der Meinung, dass es nicht schaden würde dem Beruf einen etwas cooleren Touch zu verpassen. Sophie: „Wisst ihr was, die ganze Welt besteht nur noch aus Show. Man muss cool aussehen, und das repräsentieren, was gerade in der Gesellschaft hip ist, auch in beruflicher Hinsicht. Aber in unserem Beruf steht immer noch die Nächstenliebe und Fürsorge an erster Stelle, und das sollte auch so bleiben.“ Oli: „Also, ich habe mich bewusst für diesen Beruf entschieden, und ich finde ihn toll. Trotzdem sehe ich nicht ein, warum man ihn nicht etwas pushen und das Image aufpolieren kann. Das ganze mal etwas cooler machen. Und da wird es Zeit, endlich mal aufzuhören über dieses Nächstenliebe-Gedöns zu reden! Ich besitze Fachwissen, und davon nicht wenig. Dementsprechend möchte ich in meinem Beruf Anerkennung bekommen, Karriere machen und Ansehen in der Gesellschaft erhalten. Da bin ich ganz ehrlich, mir ist das eben wichtig! Sophie: „Wenn es dir nur um Anerkennung geht, dann hast du dir den falschen Beruf ausgesucht.“ Oli, so langsam auch etwas emotionaler werdend: „Wer sagt denn das? Wieso kann man Pflege und berufliches Ansehen nicht verbinden? Glaubst du, wenn ich abends unterwegs bin, dass das attraktiv ist, wenn ich einer Frau erzähle, dass ich bald Krankenpfleger bin! Die laufen mir nicht grad hinterher! Mein Bruder hingegen ist Architekt, der hat da weniger Probleme!“

Das moralische Dilemma

Sophie platzt gleich der Kragen: „Ich pack` es nicht! Wie kannst du so eine Einstellung nur moralisch mit deinem Gewissen vereinbaren? Ich hatte letztens einen Einsatz auf der Gyn. Da war eine 38-jährige Frau mit Mamma CA, die gerade eine komplette Mastektomie hinter sich hatte, und nur am weinen war. Glaubst du, da ist es wichtig ein cooles Image als Pflegekraft zu vertreten? Nein, da geht es darum empathisch und auch einfach mal für Patienten da zu sein. Und das ist 100 Mal wichtiger, als in der Gesellschaft als hip angesehen zu werden! Ich konnte mich in einem Spätdienst etwas mit ihr unterhalten, und da hat sie endlich mal gelächelt, und war etwas abgelenkt. An dem Abend war ich so zufrieden und glücklich. Darum geht es doch in unserem Beruf, und nicht darum anzugeben und Frauen abzuschleppen! Das ist doch krank deine Einstellung! Außerdem hat sich in der Pflege sehr wohl viel getan. Ich habe zum Beispiel vor bald nach dem Examen Pflegewissenschaft zu studieren. Die Möglichkeit gab es früher nicht.“ Jetzt meldet sich Anja wieder zu Wort: „Ach, das sind mir ja die Liebsten! Erst eins auf Fürsorge machen, und sich dann aus dem eigentlichen Beruf verziehen, und was Besseres werden!“ Oli: „Wenn du ganz ehrlich bist, geht es dir doch dann auch um Ansehen. Die Aussicht auf Prof. Dr. Müller der Pflegewissenschaft ist nun mal um einiges attraktiver als Schwester Sophie. Daher ist es wicht das Image mal ordentlich nach vorne zu bringen. Lieber Ansehen genießen, als ein Leben lang der händchenhaltende Depp zu sein! Der Unterschied zwischen uns beiden ist nur, dass ich das Ganze offen und ehrlich ausspreche, und es mir vor allem auch wichtig ist ein Ansehen als Pfleger zu bekommen. Und nicht erst, wenn ich dem eigentlichen Beruf den Rücken zugekehrt habe. Also, wer von uns beiden sollte jetzt in einem moralischen Dilemma stecken?“

„Hey, ihr Drei! Wo bleibt ihr? Der Bus wartet, wir fahren jetzt!“ ruft die Lehrerin plötzlich ihren Auszubilden zu. Langsam gehen Anja, Sophie und Oli Richtung Ausgang.

Autorin

Sarah Micucci

Sie ist ausgebildete Gesundheits- und Krankenpflegerin, sowie Pflegepädagogin (B.A.). Zusätzlich arbeitet sie als Autorin und Textredakteurin für Pflegefachliteratur.

Sarah Micucci

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